Ilja Stephan Musikpublizist

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Ferdinand Försch - Delikater Sound
Ferdinand Försch und sein Klanghaus
in: taz Nord, 22. August 2005.

Wer ganz in der Welt der Klänge versinkt, wird mitunter empfindlich gegen die profanen Geräusche des Alltags. So steht ein neugieriger Journalist denn zum vereinbarten Termin ungehört vor der Tür von Ferdinand Förschs „Klanghaus“, in dem, wie es der Name schon sagt, wirklich alles klingt und tönt – nur die Türglocke nicht. Hat man es aber erst einmal geschafft, ins Innere der Eremitage des Perkussionisten in der Hamburger Berzeliusstraße eingelassen zu werden, wird man reichlich entlohnt. Seit 1997 lebt und arbeitet Försch hier inmitten selbst erfundener und gebauter Instrumente, die Namen wie „Arcton-Stele“, „Trommelwand“ oder „Bach-Harfe“ tragen und aussehen wie futuristische Skulpturen.

„Wenn ich heute in eine Sinfoniekonzert gehe, komme ich mir vor wie von einem anderen Planeten“, sagt Försch, und man glaubt es ihm aufs Wort. „Eine Entscheidung treffen und die Konsequenzen daraus ziehen.“ Im Laufe des Gesprächs kommt er immer wieder auf diese Maxime zurück. Försch hat seine Entscheidung getroffen: Er hat zuerst die Trennung von Interpreten, Komponisten und Instrumentenbauer aufgegeben, um sich die Instrumente, auf denen er spielt, selbst zu bauen. Für jede seiner Schöpfungen gibt es nur ein von ihm selbst geschriebenes und gespieltes Stück. Und jede Aufführung soll ein unwiederholbares Ereignis bleiben. Aufzeichnungen liebt Försch gar nicht. – Auch der mitschreibfaule Interviewer steckt seinen Recorder schließlich ungenutzt wieder in die Tasche.

Der philosophische Klangbildner Försch erkundet lieber, was der Augenblick an ihn heranträgt. Im Erdgeschoss seines Klangeshauses kann der Besucher durch Klanginstallationen flanieren. Von Bewegungsmeldern gesteuert, setzen sich dann Förschens Gerätschaften in Bewegung, brummen, scheppern, surren, klirren, während die Schritte des Besuchers dazu im eigens ausgestreuten Kiesbett knirschen.

Ein Stockwerk höher dann eine Instrumentenausstellung, die sich ein wenig ausnimmt wie ein Design-Museum auf Alpha Centauri, gegenüber herkömmlichen Museen aber den Vorteil hat, dass man die Ausstellungsstücke nicht nur anfassen darf, man soll es sogar. Wer also seine Hemmung überwindet, kann es hier auf resonierenden Blechen richtig krachen lassen oder dem delikaten Sirren einer über einen Aluminiumkorpus gespannten Saite nachlauschen. Dass Försch dabei mit mehr neugierigen Schulklassen rechnet, als sich bisher zu ihm verirrt haben, beweisen vor den am Boden stehenden Klangskulpturen bereitgelegte Kissen.

„Bei einer Violine geht es darum, zu lernen, ,Wie man es macht‘, bei diesen Instrumenten geht es darum ,Was kann ich damit machen‘“, so formuliert der Klang-Rechercheur sein Credo. Im Aufführungsraum des Klanghauses etwa stapeln sich im Moment Pappschachteln in unterschiedlichsten Formen und Größen. „Ein Hersteller für Wellpappe, hat bei mir ein Stück bestellt“, erläutert Försch. Die Zweifel des Skeptikers, dass Wellpappe für Audiophile nicht unbedingt sexy sei, beantwortet er mit melodisch-pfeifenden Tönen für Geigenbogen und Pappschachteln. „Die könnte man jetzt sogar stimmen.“

Förschens ambitioniertestes Projekt aber ist die Verbindung von Klang und Form. Aus den vier Ton-Buchstaben im Nachnamen von John Cage hat er mit wissenschaftlicher Akribie Zahlenreihen abgeleitet, deren Proportionen auf Flächen und Volumina übertragen, aus den räumlichen Elementen Skulpturen geschaffen und diese Installationen wiederum zum Klingen gebracht. „Ich habe mich C-A-G-E einfach überlassen und geschaut, wohin es mich führt.“

Geführt hat ihn das Projekt u.a. in die Kunsthalle Schirn und in die Frankfurter Alte Oper, doch wer Försch heute besuchen kommt, findet den riesigen Pelxiglas-Kubus aus dem „4Cage“-Projekt neben dem Haus im Freien. „Das rottet da so vor sich hin“, meint dessen Urheber fatalistisch – und träumt in kühnen Momenten gleichwohl auch für seine Sammlung von einem Gundlach-Neumeier-Tamm-Effekt bei geneigten Stadtvätern.