Ilja Stephan Musikpublizist

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Artemis Quartett - Musikalische Trauerarbeit
in: Hamburger Abendblatt, 14.12.2015

In der Mathematik ergibt drei plus eins immer vier, in der Musik dagegen gilt eine andere Arithmetik. Nicht jede Formation aus vier Musikern ist deshalb tatsächlich schon ein Quartett. Das Konzert „In Memoriam Friedemann Weigle“, mit dem die drei verbliebenen Musiker des Artemis Quartetts am Sonnabend im Kleinen Saal der Laeiszhalle ihres im Juli dieses Jahres verstorbenen Bratschers gedachten, war geradezu eine Studie darüber, wie eine Gruppe von Musikern zu einer höheren Einheit verschmelzen kann – oder eben nicht.

Da war zum einen das Streichtrio aus den drei Musikern des Artemis Quartetts; das Rückgrat dieser Formation ist offenbar das einander zugewandte Außenstimmen-Duo von Primaria Vineta Sareika und Cellist Eckart Runge. Der zweite Geiger Gregor Sigl, der nun die Funktion des Bratschers übernahm, scheint äußerlich immer etwas abseits zu stehen, doch musikalisch bilden alle drei einen Organismus. So schwang die Trauer um den abwesenden Vierten zwar in der Musik jenes Trios mit, das seine Kollegen als Epitaph für Friedemann Weigle aus Stücken von Bach und Piazzolla zusammengestellt hatten, doch im Zusammenspiel der drei hörte man vor allem die lebendige Einheit.

Robert Schumanns Klavierquartett Es-Dur op. 47 erschien dagegen mehr als Streichtrio mit Klavierbegleitung. Denn der Pianist Martan Porat fand erst nach beträchtlichen Anlaufschwierigkeiten in seine Rolle. Für jemanden, der bei Murray Perahia studiert hat, im Zugriff eher rustikal und nicht frei von Aussetzern erfüllte er sein Begleitersoll. Das besserte sich erst im Sturm-und-Drang-Überschwang von Brahms’ Klavierquartett c-Moll op. 60 nach der Pause. Offenbar schweißt emotionale Rotglut zusammen.

Als die vier dann schließlich das Andante cantabile von Schumanns Quartett als Zugabe wiederholten, hatten sie sich endlich gefunden. Die Urteile über diesen Satz gehen durchaus auseinander: Die einen hören „eines der schönsten Cellothemen der Romantik“, andere eher schmachtende Sentimentalität. Eines jedenfalls ist sicher, um ihre beste Seite zu offenbaren, braucht diese Musik ein Ensemble, dass in geschlossener Formation absolut tritt- und stilsicher auf dem schmalen Grat von Biedermeier und tiefem Gefühl zu balancieren versteht. Diese Bewährungsprobe bestand das Quartett nun glänzend. Ende gut, (fast) alles gut.