Ilja Stephan Musikpublizist

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Swingle Singers - Perfektion in der Komfortzone
in: Hamburger Abendblatt, 31.07.2015

Kevin Fox, der Bariton der Swingle Singers, ist ein humorvoller Mann. „Sie sind ja ein junges, hippes Publikum, kaum einer wird sich an 1962 erinnern“, so moderierte Fox einen Swingle-Klassiker an. Und der Saal lachte. Denn altgediente Swingle-Fans, die der 1962 gegründeten Truppe seit langem die Treue halten, bildeten beim Gastspiel der Vokalvirtuosen am Mittwoch in der Laeiszhalle klar die Mehrheit im Publikum. Sie waren wohl vor allem gekommen, um jene angeswingten Klassiker-Bearbeitungen zu hören, die seit über fünf Jahrzehnten das Markenzeichen der Swingle Singers sind.


Auf der Bühne stand allerdings die Enkelgeneration die Swingle Singers, die ihre Besetzung seither zig Mal verändert und verjüngt haben. Und die Youngster, im Schnitt Mitte dreißig, wollten vor allem Songs aus ihrem letzten Album „Deep End“ vorstellen, in dem sie die Marke Swingle Singers neu definieren. So gab es schließlich eine Mischung aus beidem: Corellis Weihnachtskonzert, Debussys „Claire de lune“ und Bachs g-Moll-Fuge BWV 578 fürs Stammpublikum. Cover-Versionen zweier Songs von Mumford & Sons und John Martyn, ein türkisches Volkslied und Neukompositionen für die Swingle-Fans 2.0.

Elegisch-stimmungsvolle Balladen, unterlegt mit einer Beatbox-Rhythmusspur, einem richtig fett abgemischten Bass und einer Extraportion Hall bestimmten dabei den neuen Swingle-Sound. Sogar an das Spiel mit live aufgenommenen loops, die sich zu einem komplexen Chorklang addieren lassen, wagte sich das Septett. Vieles davon wirkte technisch so perfekt, aber auch so überproduziert, dass die Sänger gar nicht oft genug betonen konnten, dass wirklich (fast) alles live gesungen wurde.

Doch auch wenn der Swingle-Sound klanglich modernisiert wurde, emotional kamen die neuen Songs selten aus der Komfortzone. Größtenteils gemahnten sie an Musik, wie man sie in einer stillen Stunde bei gedimmtem Licht und einem Glas Rotwein zur Feier des 49. Hochzeitstages auflegen würde. So schwang ausgerechnet im Klang der runderneuerten Swingle Singers eine Nostalgie mit, die den Paradestücken der guten alten Swingle-Zeit völlig fremd war. Den meisten Applaus erntete jedenfalls die rasante Vokalakrobatik in Bachs g-Moll-Fuge. Vielleicht ist es ja gerade diese Vitalität, an die die meisten Swingle-Fans der ersten Stunde sich so gern erinnern.