András Schiff - Liedbegleitung. Die große Kunst der kleinen Form
in: Hamburger Abendblatt, 08.06.2015
Welche Rolle spielt der Begleiter im Kunstlied, ist er hilfreicher Sekundant oder gleichberechtigter Partner des Sängers? Dieser Frage stellte sich nun ein dreitägiges Mini-Festival der Hamburgischen Vereinigung von Freunden der Kammermusik. Unter dem Titel „Große Pianisten als Liedbegleiter“ luden die Kammermusikfreunde von Freitag bis Sonntag drei herausragende Tastenkünstler und ihre Gesangspartner in den Kleinen Saal der Laeiszhalle.
Als Zwischenergebnis aus zwei von drei Festivaltagen kann man eines festhalten: Die Rolle des Begleiters variiert beträchtlich je nach Repertoire und Mentalität der Beteiligten. Sir András Schiff und die Sopranistin Christiane Iven widmeten sich in ihrem Programm mit Liedern von Brahms, Schumann und Schubert einer Blütenlese des deutschen Kunstliedes. Für ihn sei das Lied „eine Art von Kammermusik“, so erklärte Schiff im Gespräch mit Ludwig Hartmann, und Iven sprach gar von einer „seelischen Begegnung“ der Interpreten. Doch auch wenn beide das partnerschaftliche Musizieren zum Ideal erklärten, auf seine ganz subtile Weise gab Sir András den Ton an. So war das Konzert der beiden Duopartner vor allem ein Fest der leisen Töne, das seine größte Intensität gerade dort erreichte, wo die Mittel aufs Äußerste reduziert waren, wie in der Eisessstarre von Schumanns „Nun hast Du mir den ersten Schmerz getan“.
In eine völlig andere Welt führte am Sonnabend das Konzert mit der Pianistin Lilya Zilberstein und der Sopranistin Viktoria Yastrebova. Hier standen Lieder von Balakirev, Tschaikowsky und Rachmaninow auf dem Programm, und doch fühlte man sich, als sei man in der Oper. Die Yastrebova erwies sich als große Tragödin, mit melodramatischem Mienenspiel und einer grandiosen Stimme, die trotz Indisponiertheit selbst den großen Saal gefüllt hätte. Manch ein Klavierpart in Rachmaninows Liedern könnte wohl auch in einem Konzert stehen, aber die Hauptfunktion des Begleiters in der russischen Tradition besteht solcher Anforderungen zum Trotz offenbar darin, der Sängerin den roten Teppich auszurollen. Mit feinem, freundschaftlichem Einfühlungsvermögen bewies Lilya Zilberstein, dass auch dazu eine große Künstlerin gehört.