Ilja Stephan Musikpublizist

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Lang Lang - Unbegrenzte Spielfreude
in: Hamburger Abendblatt, 26.03.2014

Das Publikum war vergleichsweise jung und bunt gemischt; an der Abendkasse hing ein Schild mit der Aufschrift „Ausverkauft“, und auf dem Podium waren zusätzliche Sitzreihen aufgebaut, um des Ansturms Herr zu werden. Schon aus diesen alljährlich wiederkehrenden Begleitumständen ist es ein Leichtes zu erraten, wer da Montagabend mal wieder in der Laeiszhalle zu Gast war: Lang Lang gab sich die Ehre.

Man kann ihn noch so oft erlebt haben, Langs schiere Kommunikationsfreude frappiert immer wieder: Federnden Schrittes kommt er aufs Podium, grüßt als säßen da alte Bekannte, die Überbringerin des Blumenstraußes bekommt einen Handkuss, und der jungen Verehrerin in der ersten Reihe wird ein Angebinde überreicht. Seit den Tagen des seligen Fritz Kreisler hat sich wohl kein Interpret mehr so in die Herzen seiner Zuhörer charmiert. Und mit seinen Zugaben kann auch Lang sich von seiner stärksten Seite präsentieren: Als Ausbund ungebremster Spielfreude, bei dem die Töne von den Saiten direkt ins Herz der begeisterungsfreudigen Fans dringen.

Vor den Zugaben kam ein Programm, wie man es in den letzten Jahren öfter von ihm zu hören bekommt. Seriöse, austro-germanische Großmeister als Pflichtprogramm vor der Pause, Chopin als Kür danach. In diesem Jahr füllten drei Mozart-Sonaten und Chopins vier Balladen diesen Rahmen. Langs Klavierspiel folgt dem Motto der Libertinage: Alles kann, nichts muss. Dem Können von Lang nämlich sind keine Grenzen gesetzt, nicht nur seine Technik ist über jedes Lob erhaben, er hat auch jede emotionale Geste, das Schmachtende, das Heroische etc. etc. im Repertoire. Alleine der Klangsinn und die Delikatesse, mit der er den Anfang der f-Moll-Ballade zauberte, wiesen ihn als Großen seiner Zunft aus.

Die Grenzen von Langs Kunst beginnen dort, wo weder Verzauberung noch Überwältigung alleine mehr weiterhelfen. Wo er nur so wenige Noten zu spielen hatte, wie im Allegro der G-Dur-Sonate KV 283 blieb kaum mehr als eine Pflichtübung auf hohem Niveau. Dafür drückte er bei allen dramatischeren Sätzen umso mehr auf die Tube, bis Mozart wie Beethoven und Chopin wie Liszt klang. Über allzu vieles, was einer Musik innere Stimmigkeit und Folgerichtigkeit verleiht, was ein Konzept, einen großen Bogen oder einen differenzierteren Stilbegriff verlangen würde, spielte der geniale Sensualist mit jenem Aplomb hinweg, wie ihn wirklich nur ein Lang Lang hat.